Grüne Infrastruktur

Das Thema Grün und Freiräume genießt vor allem im Kontext der doppelten Innenentwicklung Aufmerksamkeit. Notwendige Maßnahmen zur Klimaanpassung, schwindende Artenvielfalt in Stadt und Umland und ein hoher Nutzungsdruck auf städtische Freiflächen, der zuletzt während der Corona-Pandemie deutlich wahrnehmbar war, rücken Grün und Freiräume ebenfalls wieder in den Fokus. Grünen Freiräumen kommt mit ihren vielfältigen Formen und Funktionen eine besondere Bedeutung zu. Ihr ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Wert ist immer wieder Gegenstand politischer, gesellschaftlicher und fachlicher Debatten.

Mit dem Wandel der Rahmenbedingungen verändert sich auch die Wahrnehmung des Grüns im Siedlungsbereich. Dabei ging und geht es immer wieder um die Frage, welchen Stellenwert Grün und grüne Freiräume in Konkurrenz oder Ergänzung zu anderen Flächennutzungsansprüchen, beispielsweise Verkehr, Siedlung oder Industrie und Gewerbe, haben sollen. Das Land Niedersachsen greift das Thema im Rahmen seiner „Niedersächsischen Initiative für Klimaschutz in der Siedlungsentwicklung“ (NIKiS) mit einem Handlungsleitfaden auf.

Grüne Infrastruktur
Vorhandene Grünräume sichern

Die Sicherung vorhandener Grünräume und Grünstrukturen ist angesichts des Nutzungsdrucks, der auf städtischen Freiräumen lastet, eine wichtige und vordringliche Aufgabe der Kommunen. Zur Sicherung des Grüns stehen den Kommunen rechtliche und planerische Instrumente zur Verfügung, zuvorderst die Bebauungsplanung, Gestaltungssatzungen oder Festlegungen in städtebaulichen Verträgen. Allerdings kommen diese in der Regel bei Sanierungen und Neubau zur Anwendung. Zur Sicherung des Grüns im Bestand müssen private Eigentümerinnen und Eigentümer beraten, motiviert und unterstützt werden, z.B. durch die Förderung von Entsiegelungen, durch die Finanzierung von Pflege- und Instandsetzungsmaßnahmen und Beratung bei Pflanz- und Pflegekonzepten.

Grünqualitäten durch Vernetzung ausbauen

Die Vernetzung von Grünräumen im Siedlungsbereich schafft in vielerlei Hinsicht Mehrwert: Siedlungsnah gelegene, gut erreichbare und barrierefrei zugängliche Freiräume erhöhen die Naherholungs- und Aufenthaltsqualität und befördern eine klimagerechte Mobilität, z. B. durch eine entsprechend grüne und attraktive Gestaltung der Verbindungswege. Die Vernetzung im Sinne eines Ausbaus des Biotopverbundes erweitert die Aufenthalts- und Bewegungsmöglichkeiten der städtischen Fauna und steigert so die Biodiversität im besiedelten Raum.

Grünflächenpflege und bürgerschaftliches Engagement

Das Thema bürgerschaftliches Engagement ist vor allem im Zusammenhang mit der Grünflächenpflege von Interesse, mit dem Ziel, bei einem Ausbau des Grüns die öffentliche Hand zu entlasten, die oft mit der Pflege bereits bestehender Grünstrukturen voll gefordert ist. Neben den bereits etablierten „Baumpatenschaften“ und Urban-Gardening-Projekten können auch ausgewählte Grünflächen oder die umfangreichere Stadtbaumpflege, z.B. von Alleen oder straßenbegleitendem Grün, von Anwohnerinnen und Anwohnern übernommen werden. Allerdings benötigen die jeweiligen engagierten Akteurinnen und Akteure individuelle Unterstützung, Beratung oder auch Qualifizierungen. Hilfreich sind zudem robuste Neuanpflanzungen, die möglichst unaufwändig gepflegt werden können und weitgehend stressresistent sind.
Neue Anforderungen an Grünräume

Neben der Anpassung der Grünräume an den Klimawandel, z.B. durch smarte Pflegekonzepte und robuste, pflegeextensive Bepflanzung, müssen Freiräume im Siedlungsbereich auch zunehmendem Nutzungsdruck standhalten. Im Sinne der Umwelt- oder Quartiersgerechtigkeit ist es zudem erforderlich, Grün- und Freiräume sozial differenziert zu betrachten und zu bewerten. So ist gerade in hoch verdichteten Siedlungslagen mit hohen Anteilen benachteiligter Bevölkerungsgruppen die Erreichbarkeit, Zugänglichkeit und auch die Qualität von Freiräumen von hoher Bedeutung.

Nutzungsüberlagerung und Multicodierung

Grün- und Freiräume müssen oft gleichzeitig vielen verschiedenen Anforderungen und Nutzungsinteressen entsprechen, die sich zum Teil sogar aufgrund ihrer unterschiedlichen Nutzungsintensität entgegenstehen und sensibel austariert sein wollen: Natur- und Artenschutz verträgt sich nur bedingt mit einer intensiveren Erholungsnutzung, gezielte Sport- und Bewegungsangebote oder auch (kommerzielle) Veranstaltungen erschweren – zumindest temporär – andere Nutzungen. Grün- und Freiräume sind immer auch soziale Aufenthalts- und Treffpunkte außerhalb der Wohnung, deren grundlegende Notwendigkeit sich während der Corona-Pandemie sehr deutlich gezeigt hat. Darüber hinaus kommen Grün- und Freiflächen im Siedlungsbereich die für die Gesamtstadt unverzichtbaren Aufgaben der Luftreinhaltung, Frisch- und Kaltluftzufuhr zu.